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Forschungsziel: Neue Werkstoffe im Automobil erfordern eine umfassende Life-Cycle (Lebenszyklus)-Bewertung bereits in frühen Produktentwicklungsphasen. Dies umfasst neben ökologischen und wirtschaftlichen Zielgrößen auch die Bewertung der technischen Eigenschaften hybrider Verbunde über ihren Lebenszyklus. Im Projekt MultiMaK2 wurde während der ersten Förderphase eine Methodik zur entwicklungsbegleitenden ökologischen und wirtschaftlichen Bewertung hybrider Bauteile entwickelt. Darauf aufbauend werden nun im Projekt LCT technologische Randbedingungen im Lebenszyklus multifunktionaler Bauteile untersucht. Dies umfasst sowohl Untersuchungen zur Dauerbeständigkeit als auch zu Reparatur- und Wiederverwendungsstrategien. Dabei werden Methoden zur zerstörungsfreien Prüfung spezifiziert, erprobt und die Auswirkungen der Schäden aus dem Grad der Schädigung abgeleitet. Grundlage hierzu bildet eine modellbasierte Abbildung multifunktionaler Produkteigenschaften, die den Einfluss von Fertigungsprozessen auf Eigenschaften und Einflüsse im Laufe des Produktlebenszyklus darstellt. Das „Life Cycle Design & Engineering Lab“ wird in diesem Zuge weiterentwickelt und als interdisziplinäre Plattform Technologieentscheidungen unter Betrachtung unterschiedlichster Entwicklungsziele ermöglichen.
Prof. Klaus Dilger +49 531 391-7820
k.dilger@tu-braunschweig.de
Dipl.-Ing. Claudius Noll
+49 721 608-24953
claudius.noll@kit.edu
Problemstellung
Technische Herausforderungen bei der Auslegung, Konstruktion und Fertigung von Bauteilen in Multimaterialbauweise wurden für eine Vielzahl von Materialkombinationen bereits aufgezeigt und zu einem großen Teil auch schon bewältigt. Seltener adressiert wurde bisher jedoch die Fragestellung, ob die Funktionserfüllung des Bauteils über Lebensdauer unter vielfältigen Umweltbedingungen gegeben ist. Ferner werden Reparatur- und Aufbereitungsstrategien, wenn überhaupt, meist nur isoliert sowie ohne Berücksichtigung der Bauteilkonzeptionierung betrachtet. Existierende Ansätze beschränken sich oft auf theoretische Betrachtungen (z.B. Simulation von Lastkollektiven) oder isolierte Probleme (z.B. Rückgewinnung von Kohlenstofffaser aus Faserverbundkunststoff). Eine integrierte Betrachtung des gesamten Lebenszyklus eines spezifischen Bauteils, bei der konkrete, für dieses Bauteil geltende Herausforderungen in der Fertigung, Nutzung und am Lebensende adressiert werden, findet bisher kaum statt. Hinzu kommt, dass eine solche integrierte Betrachtung oftmals nicht Kosten, technische Funktionserfüllung sowie ökologische Nachhaltigkeit in sich vereint. Insbesondere letztgenannter Aspekt wird, wenn überhaupt, oft erst zu einem Zeitpunkt bewertet, zu dem eine bedeutende Einflussnahme nicht mehr möglich ist.
Projektziele
Ziel des Projekts ist die Entwicklung von Methoden und Befähigung von Technologien zur Auslegung und Gestaltung von Bauteilen in Multimaterialbauweise mit einer integrierten, ganzheitlichen Betrachtung technischer, wirtschaftlicher und ökologischer Zielgrößen über den gesamten Bauteillebenszyklus hinweg („Life Cycle Engineering“). Der Schwerpunkt liegt in der Bauteilnutzungsphase sowie der Reparatur, Aufarbeitung und Aufbereitung am Lebensende. Durch den Einsatz geeigneter Methoden soll demonstriert werden, wie eine ganzheitliche Bewertung und Verbesserung – auch unter Berücksichtigung veränderlicher Randbedingungen – umgesetzt werden kann.
Vorgehensweise
Aufbauend aus Ergebnissen von Vorgängerprojekten werden mindestens zwei fertig entwickelte Fahrzeugbauteile ausgewählt, welche als Bauteildemonstratoren im Projekt LCT dienen. Diese beiden Demonstratoren sollen sich hinsichtlich ihrer Anforderungen signifikant voneinander unterscheiden und aus unterschiedlichen Materialkombinationen gefertigt werden. Bei einer der beiden Demonstratoren kommen dabei Holzwerkstoffe zum Einsatz. Prototypen der Bauteildemonstratoren werden unter Verwendung der OHLF Fertigungsanlagentechnik produziert, wobei Daten auf Seiten der Anlagen sowie von in das Bauteil eingebrachter Sensorik aufgenommen werden. Verschiedene zerstörende und zerstörungsfreie Prüfmethoden werden angewendet, um Aussagen zu Schädigung und Lebensdauer des Bauteils ableiten zu können. Durch eine eindeutige Zuordnung von Schadens- bzw. Versagensmustern und Fertigungsparametern wird der Einfluss der Fertigung auf die Bauteilnutzung und –lebensdauer charakterisiert. Für die beobachteten typischen Schadensmuster werden Reparaturverfahren entwickelt und erprobt, und die reparierten Bauteile erneut auf Haltbarkeit hin untersucht. Außerdem wird untersucht, welche Aufarbeitungs- und Aufbereitungsverfahren für die eingesetzten Materialkombinationen zielführend sind, und welche Qualität die zurückgewonnenen Materialien besitzen. Begleitend zu den praktischen Anwendungen entlang des Bauteillebenszyklus erfolgt eine Bewertung der ökologischen und ökonomischen Auswirkungen der einzelnen Prozesse mittels Life Cycle Costing (LCC) und Life Cycle Assessment (LCA). Diese dienen der Entscheidungsunterstützung im Verlauf des Projekts zur Berücksichtigung nicht-technischer Aspekte. Weiterhin erfolgt eine Modellierung der Fertigungs-, Reparatur-, Aufarbeitungs- und Aufbereitungsprozesse sowie der Bauteilnutzungsphase, des Bauteils selbst sowie von Randbedingungen, welche für den Bauteillebenszyklus relevant sind. Die Modellierung erfolgt auf Basis der im Projekt gesammelten Daten (z.B. Fertigungsdaten, Bauteillebensdauer). Die Modelle werden miteinander gekoppelt und ermöglichen daher eine integrierte Betrachtung verschiedener lokaler und temporaler Detailebenen (Multiskalen-Modellierung). Zur Datenexploration und Entscheidungsunterstützung bei komplexen Sachverhalten werden im gesamten Projektverlauf Visual Analytics (VA) Methoden angewendet, welche eine interaktive Form der Datenvisualisierung und damit ein daten- und modellgetriebenes Life Cycle Engineering ermöglichen.
Anwendungspotenzial
Die im Projekt entwickelten und erprobten Methoden können von Entwicklern von Bauteilen für die lebenszyklusgerechte Gestaltung angewendet werden. Das Potenzial erstreckt sich dabei nicht nur auf hybride Strukturen, und geht auch über das Anwendungsfeld im Automobilbau hinaus. Insbesondere bei Bauteilen mit einer hohen Wertschöpfung und bei solchen, deren Lebenszyklus mit hohen Umweltwirkungen einhergehen, scheint die Anwendung dieser Methoden besonders vielversprechend. Die Aufnahme von Fertigungsdaten ist für alle fertigenden Betriebe von Relevanz, insbesondere für diejenigen, die Produkte mit hoher Zuverlässigkeit und langer Lebensdauer produzieren. Ähnliches gilt für Methoden zur Prüfung von Materialien und Bauteilen – vor allem für den Einsatz von neuartigen Materialkombinationen und Fügeverfahren, für die bisher wenig Erfahrungswerte vorliegen. LCA und LCC können dazu dienen, die ökonomische und ökologische Vorteilhaftigkeit eines Produkts relativ zu einem Referenzprodukt zu demonstrieren, und werden zu diesem Zweck auch bereits vielfältig eingesetzt. Die Weiterentwicklung dieser Methodiken im Rahmen dieses Projekts, insbesondere der LCA, sollen die inhärente Komplexität beherrschbar machen, die Einbeziehung von Unsicherheiten und Variabilitäten ermöglichen, die Zugänglichkeit zu Daten und Modellen verbessern, und somit die Verbreitung von Life Cycle Engineering in er der industriellen Praxis vorantreiben.
In der folgenden Liste sehen Sie Ihre ausgewählten Projekt-Favoriten.